Glaubwürdigkeit

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Zertifizierung und Glaubwürdigkeit

Von Uwe Meier

 

Ein Unternehmen, ein Bauernhof oder eine Kooperative können sich freiwillig untersuchen lassen, ob sie Umwelt- und Menschenrechtsstandards einhalten. Eine Untersuchung erfolgt auf der Grundlage von Standards oder Kriterien durch spezielle Zertifizierungsunternehmen. Was Standards oder Kriterien sind und wie sie entwickelt werden, lesen Sie unter den Stichworten „Standards und Kriterien“.

Es stellen sich die Fragen, warum Unternehmen untersucht werden möchten und warum sie ein Zertifikat haben wollen. Der wichtigste Grund: Weil der Kunde oder Handelspartner es verlangt. Der will sicher gehen, dass die Versprechungen stimmen, die mit dem Produkt verbunden werden. Oft wird ein Zusatznutzen (z. B. BIO und/oder FAIR) versprochen, der am Produkt jedoch nicht erkennbar ist. Es geht also um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, von unabhängiger Seite garantiert.

Ein weiterer Grund zur freiwilligen Überprüfung der Produktion ist oft ihre Marktferne. Waren kommen aus vielen Ländern. Kein Händler kann sie sich weltweit zusammensuchen und vor Ort deren Qualität oder Anbaubedingungen überprüfen. Handler vertrauen deshalb auf das Zertifikat, das Garantien enthält.

Der Untersuchungsvorgang wird Audit genannt und das abschließende Zeugnis ist ein Zertifikat. Der Gesamtvorgang heißt Zertifizierung und wird von staatlich genehmigten Zertifizierungsunternehmen durchgeführt. So soll garantiert werden, dass z.B. die Bio-Standards bei der Produktion und der faire Handel auch tatsächlich eingehalten werden. Die Standardsetzung und die Überprüfung der Einhaltung der Standards in der Praxis sind also die entscheidenden Kontrollinstrumente für eine umweltorientierte und faire Produktion. Das verliehene Siegel vermittelt dem Kunden nach erfolgreicher Prüfung, dass die Produktion den Versprechungen (z.B. umweltfreundlich und sozialverträglich) entspricht.

Das Verhalten des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Zertifizierungsunternehmen sind also die Schlüssel für das Vertrauen in das Produkt. Beide müssen glaubwürdig handeln, um sowohl einen höheren Preis zu rechtfertigen als auch gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Und was ist, wenn die Produktionsunternehmen nicht glaubwürdig handeln? Dann werden sie ermahnt und können nach Gremienbeschluss aus dem System ausgeschlossen werden.

Das Problem: Je mehr landwirtschaftliche Flächen weltweit umwelt- und sozialzertifiziert werden und je unterschiedlicher der Produktpreis zwischen zertifizierten Produkten und nicht zertifizierten ist, umso größer wird die Gefahr des Betrugs. Die Kontrolle ist zum einen schwierig und bedarf hoher Fachkenntnisse, und zum anderen gibt es zwischen Zertifizierungsunternehmen und dem zu untersuchenden landwirtschaftlichen Betrieb oder der Kooperative wichtige Gemeinsamkeiten: Nämlich die, dass das Audit (Betriebsuntersuchung) möglichst preiswert sein soll, nicht viel Zeit benötigt und dass es erfolgreich sein soll, also ein Siegel erteilt wird. Diese gemeinsamen Interessen machen eine Zertifizierung hoch betrugsanfällig.

Hinzu kommt, dass die Zertifizierungsorganisationen untereinander im Wettbewerb stehen. Dieser Wettbewerb findet auf ökonomischer Grundlage statt und nicht, ob die Ziele (Umwelt und Soziales) erreicht wurden. Das scheint selbstverständlich zu sein. Ist es aber nicht. Es ist verständlich, aber falsch, wenn der Wettbewerb der Zertifizierungsorganisationen auf ökonomischer Grundlage stattfindet, weil die Ziele der Zertifizierung und die Produktauslobung, nämlich menschenwürdige und umweltfreundliche Produktion, nicht oder nur ungenügend erfasst werden.

Die Kostenfrage wird gestellt, z. B. welches Label oder welche Zertifizierungsorganisation kostengünstiger ist, d. h. oft auch schneller, also nicht so gründlich. Das spart einmal direkte Untersuchungskosten und es können kostenrelevante  Probleme übersehen werden.  Die Gegensätzlichkeit wird deutlich: Obwohl die Qualität (Umwelt und Soziales) beworben wird und diese auch die Ziele des Vorhabens sind, werden sie nicht bemessen. Bemessen wird hingegen der Umsatz und zertifizierte Flächen, denen ganz andere Maßstäbe zugrunde liegen, nämlich die tradierten monetären Einheiten. Dieser Widerspruch ist nicht auflösbar und das Grundproblem der Glaubwürdigkeitsproblematik.

Der Wettbewerb findet also nicht unter öko-sozialen Bedingungen statt, also welches System die glaubwürdigsten und sinnvollsten Kriterien hat, die zu mehr ökologischer und sozialer Verantwortung führen. Das führt zu einer Entwicklung, die als „Race to the bottom“ bezeichnet wird – also ein Wettlauf  hin zu schwächeren Sozial- und Umweltstandards. Zu lösen ist das Problem nur über ein noch zu entwickelndes messbares Glaubwürdigkeits-System. Daran wird gearbeitet.

Wie oben bereits angedeutet, kann sich ein weiteres Problem aus der allzu engen Kooperation der Zertifizierungsorganisation mit dem Unternehmen ergeben, das untersucht werden soll. Bei Unternehmensprüfungen kann sich zwischen der Zertifizierungsorganisation oder den  Auditoren und dem zu zertifizierenden Unternehmen ein Abhängigkeitsverhältnis entwickeln, von dem beide Seiten profitieren. Das Unternehmen hat das Ziel, die Unternehmensprüfung erfolgreich zu bestehen, und die Zertifizierungsorganisation möchte zwar ein ordnungsgemäßes Audit durchführen, es will verständlicherweise jedoch auch den Folgeauftrag haben. Der Wunsch nach dem Folgeauftrag ist sowohl aus wirtschaftlichen Gründen verständlich als auch dadurch, dass mögliche Unregelmäßigkeiten im Auditierungsprozess leichter verdeckt werden können. Hinzu kommt, dass zu viele negative Ergebnisse bei Audits das Geschäft des Zertifizierungsunternehmens negativ belasten. Diesem risikobehafteten Thema muss verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil Glaubwürdigkeit für die Zertifizierung existenziell ist.

Diese Probleme über die Qualität der Zertifizierung oder die Glaubwürdigkeit sind bekannt und wurden bisher nur schwach wissenschaftlich bearbeitet. Das ist erstaunlich, stützen sich doch inzwischen auch rechtliche Normen auf Agrarstandards und Zertifizierung, anscheinend in der nicht gerechtfertigten Annahme, dass die „schon funktionieren werden“.

Es besteht durchaus die Möglichkeit, den oben genannten Problemen entgegen zu wirken. Doch die sind kostenrelevant. So könnte vorgeschrieben werden, dass ein Wechsel der Zertifizierungsorganisationen zu erfolgen hat. Niemals sollten Auditoren allein in einen Betrieb gehen, und die Auditorengruppe sollte regelmäßig neu zusammengestellt werden.

 

Unsere Braunschweig Schokolade und die Glaubwürdigkeit

Wir vom Verein „Fair in Braunschweig“ kennen die Probleme, darum bieten wir auch unsere Hilfe an. Es nützt nichts, wenn wir auf den nächsten Lebensmittelskandal warten und immer einen Schudigen suchen. Wir müssen handeln.

Obwohl an anderer Stelle näher beschrieben, wird hier kurz darauf eingegangen. Garantieren kann unser Verein „Fair in Braunschweig“ eine Braunschweig Schokolade mit einer belastbar hohen Sorgfalt bei der Auswahl der Handelspartner. Deren Geschäftspolitik und -philosophie muss klar und überzeugend sein und sich im langfristigen Agieren widerspiegeln. Wir wollen Handelspartner, die auch im Geschäftsleben einen hohen umweltorientierten und sozialen Ethos im Unternehmen leben.  Darum arbeiten wir mit der von Kirchen Brot für die Welt und Misereor gestützten Fair-Handelsorganisation GEPA zusammen und mit der landwirtschaftlichen Bio-Organisation „Naturland“. Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter die tiefe und begründbare Überzeugung haben, dass sie für Nachhaltigkeit arbeiten wollen.

Wir wissen, dass Vertrauen erworben werden muss. Das dauert lange. Darum beginnen wir bei „Fair in Braunschweig“-Schokolade auch langsam mit ständiger Rückkontrolle. Unsere Geschäftsphilosophie ist Langsamkeit in überschaubaren Produktions- und Handelsstrukturen. Unsere Produkte sind nicht nur unsere angebotenen Waren, unser wichtigstes Produkt soll die Glaubwürdigkeit sein. Ein hoher jedoch eigentlich ein selbstverständlicher Anspruch! Wir werden sehen, ob er auch erfüllbar ist. Darum zunächst nur Vollmilch-Schokolade und erst später weitere Schokoladen mit anderen Geschmacksrichtungen.

Wir im Verein wollen transparent sein, denn Transparenz ist die Schwester der Glaubwürdigkeit. Unser Verein hat keine Geheimnisse und mögliche gefundene Fehler werden wir benennen, wenn sie gravierend sind oder nicht rasch behoben werden können.