Standards und Kriterien

Von

Uwe Meier

Der Verlust an Regierungshandeln und damit von politischen Steuerungsmöglichkeiten der Staaten, ist eine der Auswirkungen der Globalisierung. Eng verbunden mit dieser schwindenden Entwicklung des Einflusses der Staaten ist der wachsende Einfluss der zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie der von Nichtregierungsorganisationen (NROen). NROen haben vielfach Substitionsfunktionen für nicht mehr geleistete staatliche Daseinsvorsorge übernommen. Es organisieren sich zivilgesellschaftliche Akteure zunehmend grenzüberschreitend und nehmen Einfluss auf die globale Politikgestaltung und das Wirtschaftsgeschehen. Insofern übernehmen NROen inzwischen „außerparlamentarische“ ordnungspolitische Funktionen. Sie definieren inzwischen, was Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda, wie „Gute Landwirtschaftliche Praxis“, „Nachhaltige Forstwirtschaft“ und nachhaltige soziale Arbeitsbedingungen sind. Und sie versuchen immer erfolgreicher, die vernachlässigten staatlichen Strukturen der Unternehmenskontrolle über private und standardgestützte Unternehmenskontrollen (Audit) und Zertifizierungen zu kompensieren.

Die Entwicklung von Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Agrarwirtschaft und deren Umsetzung in verbindliches, praktisches Handeln mit Hilfe von Standardinitiativen bedürfen umfassender und oft schwieriger Kommunikationsprozesse zwischen allen Beteiligten. Doch hat es sich gezeigt, dass dieser Weg im Rahmen der gegebenen marktwirtschaftlichen Bedingungen erfolgreich beschritten werden kann.

Standardorganisationen nutzen als Grundlage für die Bewertung von Umwelt- und Sozialleistungen von Unternehmen Prinzipien, Standards und Kriterien.  Wodurch unterscheiden die sich?

Prinzipien beschreiben allgemeine Regeln, die zu den gesetzten Zielen führen sollen. Sie bilden ähnlich einem Grundsatz, eine in sich gegliederte Leitlinie, die möglichst weitgehend verwirklicht werden soll. Ein Beispiel ist das Prinzip, nach dem die „Gute Landwirtschaftliche Praxis“ (GLP) einzuhalten ist.

Kriterien sind konkrete Bewertungsmerkmale. Sie werden in den Standardinitiativen genutzt, um Anforderungen an einen Produktionsprozess oder ein Produkt festzulegen. Diese Anforderungen können sich auf die Qualität eines Produktes beziehen, wie die Rückstandsfreiheit von Pflanzenschutzmitteln für Ernteprodukte oder auch auf die Produktion selbst, wie z. B. Maßnahmen zur Reduzierung der Bodenerosion oder die Forderung nach Löhnen, die den Lebensunterhalt sichern.

In der internationalen Praxis setzen sich zunehmend Kriterien unterschiedlicher Strenge innerhalb eines Systems durch. So wird oft unterschieden zwischen Kriterien, die von dem Unternehmen in vollem Umfang immer eingehalten werden müssen und Kriterien, die in einem festgelegten Umfang erfüllt sein müssen. Mit dieser Vorgehensweise sollen dem Produzenten einerseits deutlich die Grenzen aufgezeigt werden, die er nicht überschreiten darf und andererseits sollen dem Produzenten Ziele in einem Aktionsrahmen gegeben werden, die es noch zu erreichen gilt.

Der Standard wird zunehmend als übergeordneter Begriff betrachtet, unter dem sich die Kriterien einordnen lassen. Demnach wäre ein Standard im Sinne von Standardinitiativen beispielsweise das Gebot der Einführung des Integrierten Pflanzenbaus und die Kriterien wären die Maßnahmen, die zu dem Ziel führen sollen.

Entnommen aus: MEIER, UWE, 2012: Standards und Kriterien als Beitrag für eine Agrarethik. S.229-253. In: MEIER, UWE (Hg.) Agrarethik- Landwirtschaft mit Zukunft. Agrimedia, Clenze, 347